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Studio Azzurro

Posted by Lina Heuschen

KUNDE: AKTION MENSCH
2003

Ein Schiffbruch ist ein nicht ausgeführter Akt, weil das Schiff und seine Passagiere nach dem Auslaufen nicht an ihren Bestimmungshafen gelangen. Auch alle unsere alltäglich abgebrochenen Handlungen, besonders die vielen kleinen stockenden Gesten, sind Schiffbrüche. Schiffbrüche von Ideen, Absichten, Gefühlen.

Den Bestimmungshafen zu verlieren ist ein schmerzliches Ereignis. Im Wasser verloren, ist der Schiffbrüchige seinem eigenen Schicksal überlassen. Der Verlust des Hafens erfüllt uns mit einem Schmerz, der alle Bewegungen verhindert und jede körperliche und geistige Überlebensfähigkeit nimmt.

Aber nicht alle Schiffbrüchigen gehen spurlos unter. Viele hinterlassen Spuren. Psychoanalytisch oder mathematisch betrachtet sind es Reste, im literarischen Sinn Relikte, die uns umgeben und an die wir uns, schiffbrüchig geworden, klammern können. Schiffbrüchige klammern sich an Erfahrungen, schließen an Gesten der zuvor Gekenterten an. Ein ideales Floß, Tische, auf die man klettern kann, ermöglicht es, die Reise zu beenden, an den Bestimmungsort zu gelangen.

Die Reise ist ein Aufbruch zur Berührung, die Geste ein Streicheln, ein flüchtiger Affekt, dem Körper einer Person oder ihrer Seele gewidmet. Der Schiffbruch entsteht in der Unmöglichkeit, diese Geste auszuführen und den Impuls eines Gefühls zu Ende zu führen; die Flöße sind eine unerwartete Rettung, eine neue Möglichkeit, die Geste an ihren Bestimmungsort gelangen zu lassen.

Um diese Möglichkeit zu nutzen, ist es notwendig, wieder Vertrauen in die eigenen Sinne zu gewinnen, die Kraft und Zärtlichkeit des Tastens, die Rauheit oder Glätte von Oberflächen und Materialien und vielleicht auch von Körpern neu zu entdecken.