KUNDE: KUNST- UND AUSSTELLUNGSHALLE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
1996
Gary Hill kombiniert in seiner Installation CIRCULAR BREATHING fünf Detailaufnahmen mit fünf Fragmenten zu sieben Kapiteln.
Die Bilder bewegen sich in mathematisch strukturierten Sequenzen über die Wand; je mehr Bilder auf den fünf Projektionsflächen zu sehen sind, desto mehr verlangsamt sich die Bildgeschwindigkeit, sie wird zur Zeitlupe, um dann in ein nahezu stehendes Bild überzugehen. Die Bildsequenzen und der synchrone Ton verschmelzen und separieren sich zugleich, suggerieren Elemente einer Geschichte, bilden intuitive Allegorien, ohne jedoch zu einer linearen Erzählstruktur zu gelangen.
Im Kontext der Arbeiten über Wahrnehmung, Bewusstsein und Kommunikation ist CIRCULAR BREATHING die herausragende Arbeit Gary Hills. Der Titel verweist auf eine spezielle Atemtechnik, wie sie beim Spiel von Blasinstrumenten und im chinesischen Tai-Chi praktiziert wird. CIRCULAR BREATHÍNG symbolisiert den Wahrnehmungsvorgang im Gedächtnis und ist eine Einübung in den Verzicht auf Bedeutung. Vorstrukturierte Kapitel wie „Straßenszene“, „Baustelle“ oder „Klavierspiel“ animieren die Wahrnehmung, eine Erzählstruktur zu formulieren. Doch im Wettlauf mit dem Verschwinden der Bild-Ton-Fragmente versiegt der lineare Erzählversuch. Die Kontinuität des Sehens trifft auf die Instabilität der flackernden Bilder und die Diskontinuität der Erzähltechnik.
Dem Bilderrhythmus folgend muss das Auge im Installationsraum ein- und ausatmen, zwischen Aufblende auf der linken Seite und Abblende auf der rechten Seite. Das Auftauchen und Verschwinden der Bilder und Geräusche entspricht dabei dem Vorgang des Erinnerns und Vergessens. Die Bilder tauchen wie aus einem Strom des Vergessens auf und verschwinden wieder in ihm.