Art Cologne

KUNDE: koelnmesse
28. OKTOBER bis 2. NOVEMBER 2003

Über den Catwalk auf die Art Cologne Kirsten Geislers Virtual Beauty begrüsst die Besucher der Art Cologne

235 MEDIA zeigt in Zusammenarbeit mit der KölnMesse die Computeranimation „Catwalk“ als Installation auf dem Vordach des Haupteingangs. Weitere Arbeiten von Kirsten Geisler sind bei 235 MEDIA, Halle 1.1 Stand 28, zu sehen.

Eine nackte Schöne bewegt sich mit gekonntem Hüftschwung über einen Laufsteg auf den Besucher zu. Sie blickt ihm entgegen, dreht sich um und der Catwalk beginnt von vorn. Kirsten Geisler arbeitet mit virtuellen Kreationen. Sie nutzt die Möglichkeiten der digitalen Technik, um die künstliche Schönheit zu schaffen. Sie entwickelt Frauenköpfe, Virtual Beauties, die sie nach den Ergebnissen der Forschung über das menschliche Schönheitsempfinden am Computer entwirft. Obwohl Geislers „Beauties“ alle Kriterien des weiblichen Schönheitsideals zu erfüllen scheinen, sorgt die völlige Ausdruckslosigkeit ihrer ebenmäßigen Gesichter für nachhaltige Irritationen. Geislers Gegenüberstellung zeigt, dass die stereotype Darstellung der Frau bereits heute ein solches Maß an Künstlichkeit erreicht hat, dass die Grenzen zwischen realer und virtueller Welt zunehmend unbedeutend werden.

Kirsten Geisler hat hier zusammen mit einem Schönheitschirurg ganze Arbeit geleistet. Das Produkt aus der Retorte schwingt seine Hüften in gekonntem Gang dem Betrachter entgegen, der zwischen modisch anmutender Faszination der grazilen Verführung und ablehnender Haltung gegenüber so viel Cliché schwankt.

PARTNER:
In Zusammenarbeit mit koelnmesse

Studio Azzurro

KUNDE: AKTION MENSCH
2003

Ein Schiffbruch ist ein nicht ausgeführter Akt, weil das Schiff und seine Passagiere nach dem Auslaufen nicht an ihren Bestimmungshafen gelangen. Auch alle unsere alltäglich abgebrochenen Handlungen, besonders die vielen kleinen stockenden Gesten, sind Schiffbrüche. Schiffbrüche von Ideen, Absichten, Gefühlen.

Den Bestimmungshafen zu verlieren ist ein schmerzliches Ereignis. Im Wasser verloren, ist der Schiffbrüchige seinem eigenen Schicksal überlassen. Der Verlust des Hafens erfüllt uns mit einem Schmerz, der alle Bewegungen verhindert und jede körperliche und geistige Überlebensfähigkeit nimmt.

Aber nicht alle Schiffbrüchigen gehen spurlos unter. Viele hinterlassen Spuren. Psychoanalytisch oder mathematisch betrachtet sind es Reste, im literarischen Sinn Relikte, die uns umgeben und an die wir uns, schiffbrüchig geworden, klammern können. Schiffbrüchige klammern sich an Erfahrungen, schließen an Gesten der zuvor Gekenterten an. Ein ideales Floß, Tische, auf die man klettern kann, ermöglicht es, die Reise zu beenden, an den Bestimmungsort zu gelangen.

Die Reise ist ein Aufbruch zur Berührung, die Geste ein Streicheln, ein flüchtiger Affekt, dem Körper einer Person oder ihrer Seele gewidmet. Der Schiffbruch entsteht in der Unmöglichkeit, diese Geste auszuführen und den Impuls eines Gefühls zu Ende zu führen; die Flöße sind eine unerwartete Rettung, eine neue Möglichkeit, die Geste an ihren Bestimmungsort gelangen zu lassen.

Um diese Möglichkeit zu nutzen, ist es notwendig, wieder Vertrauen in die eigenen Sinne zu gewinnen, die Kraft und Zärtlichkeit des Tastens, die Rauheit oder Glätte von Oberflächen und Materialien und vielleicht auch von Körpern neu zu entdecken.

Mediamorphosen

5. bis 9. April 2003

Eine Retrospektive anlässlich des 20. Geburtstags von 235 MEDIA, Agentur, Vertrieb und Ausstellungsbüro für Medienkunst.

Die Kunst mit Video, die sich ursprünglich zwischen filmischem Experiment und bildender Kunst positionierte, hat längst den engen Rahmen des Bildschirms verlassen und ist raumgreifend geworden. Während die frühen linearen Videoarbeiten eng an die utopischen und gesellschaftskritischen Ambitionen der 60er und 70er Jahre geknüpft waren, spiegelt sich in der aktuellen Medienkunst verstärkt der Diskurs über die Evolution künstlicher Intelligenz und virtueller Welten. An der konstanten Weiterentwicklung von begehbaren interaktiven Medienräumen und digitalen Netzwerkinstallationen in den vergangenen zwei Jahrzehnten lässt sich die tiefgreifende Metamorphose der Medienkunst ablesen.

235 MEDIA hat diesen Prozess in den letzten 20 Jahren begleitet und mitgeprägt. Die 1982 in Köln gegründete Gesellschaft gibt anlässlich ihres zwanzigjährigen Bestehens einen Überblick über einige der wichtigsten Positionen der Medienkunst. Die Sonderausstellung, die vom 5. bis zum 9. April im Rahmen der KunstKöln auf etwa 250 m2 gezeigt wird, ist damit Porträt und Retrospektive zugleich.

Zu sehen und zu erleben sind unter anderem Installationen von Studio Azzurro, Doug Hall, Bill Seaman, Marcel Odenbach, Ulrike Rosenbach und Klaus vom Bruch. Anhand der Auswahl der Ausstellungsexponate lässt sich die Genese der Medienkunst nachvollziehen und werden wichtige Themenfelder dieses Diskurses berührt: Videokunst als Antigeste und politisches Statement, Inszenierung von Körperlichkeit, Konstruktion des Selbst, Interaktivität und Einbindung des Zuschauers in das Werk, Erweiterung in semantische und virtuelle Räume… Zusätzlich wird ein Programm mit ausgewählten historischen Videoarbeiten einen Einblick in die Wurzeln und Visionen videokünstlerischer Arbeit geben.

Unter anderem mit:
Studio Azzurro, Il Nuatatore & Der Schwimmer, 1984
Marcel Odenbach, Die Unwahrheit der Vernunft, 1978
Ulrike Rosenbach, Über den Tod, 1995
Doug Hall, The terrible uncertainty of the thing described, 1987-89
Bill Seaman, Hybrid Invention Generator, 2002
Klaus vom Bruch, Radar Zylinder, 1992
Kirsten Geisler, Cat Walk, 2002, & Touch Me, 1999

Und eine Auswahl von Videokunst-Arbeiten von 1578 bis 2003.

Bill Seaman

KUNDE: Bill Seaman
2001

Der genetische und nanotechnische Fortschritt, der heute erreicht wird, wird sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern als beinahe unvermeidlich dargestellt, Der Computerspezialist Bill Joy charakterisiert die nanotechnische Entwicklung als “faustischen Handel” und glaubt, dass wir dabei sind, eine “Büchse der Pandora” zu öffnen. Der Forscher Ray Kurzweil gehört zu den großen Optimisten und prophezeit, dass der technische Fortschritt blitzartig voranschreiten wird und sagt die Verschmelzung von Mensch und Maschine voraus.

Der Traum von kleinen Robotern, die durch menschliche Arterien sausen, um Pathogene auf der Stelle zu zerstören, impliziert auch, dass Nanoroboter das menschliche Gehirn kopieren und nachvollziehen. Des Menschen Wunsch, den menschlichen Körper zu verbessern, ist so alt wie die Menschheit selbst. Die Technologie, mit der es möglich wäre, solch verlockende Visionen zu verwirklichen, existiert in groben Umrissen, allerdings lässt sich nicht abschätzen, welche Auswirkungen sie auf das menschliche Leben haben wird. Die aktuelle Debatte weckt Hoffnungen, zeigt drohende Gefahren auf und wirft die Frage auf, was es bedeutet, Mensch zu sein.

Auf der Grundlage des Hauptthemas der wissenschaftlichen Forschung, das so oft in Science-Fiction-Filmen- und Romanen behandelt wird und das bald Bestandteil unseres täglichen Labens sein könnte, wirft INVERSION einen Blick auf den möglichen Körper des 21. Jahrhunderts.

Bill Seamans und Regina van Berkels subtile Betrachtung der komplexen Beziehung zwischen Mensch und Maschine wurde in faszinierender Metaphorik in ihre Tanz-Performance-Installation übertragen. Choreographie und die Präsenz des Körpers stellen sowohl Kommentar als auch einen Kontrast zur Ästhetik und Ausdruckskraft der auf sie hereinbrechenden Medienbilder dar, unterstützt durch die Poesie von Musik und Tanz.

In Bill Seamans Arbeiten werden wir wiederholt mit seiner Sicht der menschlichen Bewegung konfrontiert. Er weist dem Betrachter eine aktive Rolle zu und ermöglicht es ihm, eine sinnliche Erfahrung zu machen.

PARTNER:
ZKM, Karlsruhe
Kunsthochschule für Medien, Köln

Vision Ruhr

KUNDE: STADT DORTMUND
2000

Das Ausstellungsprojekt vision.ruhr erschließt mit Medieninstallationen am Beispiel des Ruhrgebiets die Lebenswirklichkeit und den Wandel einer alten Industrieregion. 235 MEDIA betreute diese Ausstellung auf dem Gelände der Zeche Zollern II/IV in Dortmund von der Planung über die Konzeption bis zur Realisation.

Medieninstallationen, Skulpturen und Performances von weltweit renommierten Künstlern bilden den Mittelpunkt der Ausstellung, die durch ein Eventprogramm mit den Bereichen Musik, Film, Internet sowie museumspädagogischen Maßnahmen abgerundet wird.

Den Schwerpunkt von vision.ruhr bilden interaktive multimediale Arbeiten, in denen sich die Künstler, den vorgestellten Grundgedanken aufgreifend, mit der Region und deren strukturellen Wandel auseinandersetzen.

Doug Hall

KUNDE: Doug Hall
2000

Doug Halls Environment ermöglicht im Zusammenspiel mehrerer Medien ein komplexes Raumerlebnis. Der gesamte Ausstellungsraum wird in die Dramaturgie einbezogen, indem verschiedenste Einbauten aus Stahl ein komplexes Raumgefüge erzeugen und Wände als Projektionsmedium genutzt werden.

Inmitten des abgedunkelten Raumes erzeugen großflächige Videoprojektionen und sechs Videomonitore eine dramatische Szenario aus Stürmen, Feuer und Fluten. Den – virtuellen – gewaltigen, aber ungerichteten Energiepotentialen der Natur, die auf die Besucher der Installation als Videobilder mit den dazugehörigen Klängen einstürmen, steht als reales Installationselement ein Bogenblitzgenerator (Tesla-coil) gegenüber, der in bestimmten Intervallen gewaltige Blitzentladungen „live“ im Raum erzeugt.

Dough Halls Installation THE TERRIBLE UNCERTAINTY OF THE THING DESCRIBED bezieht ihren Namen aus Edmund Burkes »A Philosophical inquiry into the Origins of Our Ideas of the Sublime and Beautiful«. Hall greift die darin beschriebene Beziehung zwischen der Ehrfurcht vor den Naturgewalten und dem aufklärerischen Willen durch die Wissenschaft auf und setzt sie mit Hilfe der Videotechnik und diversen Stahlbauten in Szene. Beängstigend und faszinierend zugleich, liefert die Installation nicht nur eine Darstellung, sondern darüber hinaus eine Analyse der Transformation von Energie. Die in Form des künstlich erzeugten Bogenblitzes inszenierte Bändigung der mitunter zerstörerischen Naturkräfte scheint zwar gelungen, doch wird deutlich – gerade im Hinblick auf die jüngsten Nachrichten von Naturkatastrophen in aller Welt -, dass der Mensch mit all der ihm zur Verfügung stehenden Technik doch nur einen Bruchteil dieser gewaltigen Kräfte zu kanalisieren versteht.

Andres Bosshard

KUNDE: vision.ruhr, Dortmund
2000

Interaktive Klangarchitektur nach Plänen alter Sonnenuhren: Echokaskade zur Klangförderung von unterirdischen Vibrationen und deren optimale Zerstäubung in höhere Luftschichten.

Obwohl es schon seit Urzeiten Sonnenuhren aller Größen gibt, wurde der Versuch, eine Monduhr zu bauen in jüngerer Zeit nicht unternommen. Eine Monduhr ist eine unsichtbare Maschine. Ihre Wirkungen sind nur hörbar. Die lunaren Gezeitenkräfte wirken nicht nur auf die Meere, sondern auch auf die Gesteinsschichten. Tieftonvibrationen erklingen täglich in bestimmten ansteigenden und abfallenden Zyklen. Eine Klangmonduhr macht diese riesigen unterirdischen Klangwellen hörbar und fördert sie an die Oberfläche.

Unmittelbar über der Erdoberfläche sind, 25m voneinander entfernt, vier Klangsteine aufgebaut. Sie bilden das Klangfundament für eine bis in 20m Höhe steigende Echokaskade. Diese führt die Klangbewegung der Tieftonvibrationen eine Allee entlang weiter bis hoch über deren Baumwipfel hinaus. Sechs durchsichtige Schallwandler sind so in die Äste gehängt, dass bei jeder Windbewegung die Klänge optimal verweht werden können.

Die Luftschichten selbst sind natürlicherweise von riesigen Tieftonfeldern erfüllt, die wir aber nicht hören können. Eine Monduhr ist also ein Ort, wo verschiedene, sich berührende Raumschichten miteinander in Beziehung gesetzt werden, so als ob wir hörend aus dem Mondschatten die Nachtzeit ablesen könnten. Zugegebenermaßen ist ohne poetische Verzauberung tagsüber kein Mondlicht zu erspähen. Dafür sorgen aber die in der Allee kreisenden Klangfelder, die über vier Bewegungssensoren vom Besucher abgelenkt werden können.

Grahame Weinbren, Tunnel

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

Über eine Treppe betritt der Besucher in der Maschinenhalle der Zeche Zollern II/IV einen 30 Meter langen, künstlichen Tunnel, der auf einem Ständerwerk frei im Raum steht. Der Tunnel, ein abstrahierter Kohle-Flöz, ist zickzackförmig angelegt, und im Inneren variiert seine Höhe zwischen zweieinhalb und vier Metern.

Abwechselnd dienen der Boden und die Decke des Tunnels als Projektionsflächen, auf denen, sobald man den dunklen Gang betritt, einerseits Kopf und Schultern, andererseits Füße und Beine eines Menschen auftauchen, der sich als „virtueller Begleiter“ in der gleichen Geschwindigkeit wie der Besucher durch den Gang bewegt. Dabei werden die Bilder auf transparente Flächen projiziert, die stets auch den Blick auf Teile der alten Maschinenanlage freigeben.

Mit der Bewegung durch den Tunnel ändert sich das Erscheinungsbild des Alter Egos: Ist dieser am Anfang des Weges im Stil der Jahrhundertwende gekleidet, wird seine Garderobe, je näher der Besucher dem Ende des Gangs kommt, immer moderner.

Auf dem Hintergrund der unveränderten alten Industrieanlage wird durch die äußerliche Veränderung des „virtuellen Begleiters“ der Wandel der Industriegesellschaft thematisiert. Der Gang durch den Tunnel wird zu einer Reise durch die Zeit.

Jeffrey Shaw

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
2000

Die für den Zeitraum vom 7.6 bis zum 20.7.1997 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland ausgestellte Videoinstallation PLACE RUHR erweitert das klassische gemalte, fotografierte und cinematographische Panorama zu dreidimensionalen virtuellen Räumen.

Auf der Ausstellungsfläche wird ein kreisrunder Raum mit einem Durchmesser von 8,90m gebaut, dessen Wände als Projektionsmedium dienen. Die Besucher können in der Mitte dieser 260-Grad-Leinwand drei Videoprojektoren bedienen, die jeweils einen Teilausschnitt des Panoramas von 120 Grad projizieren.

Das Projektionssystem ist auf einer motorbetriebenen Plattform installiert; mit einfachen Bedienungselementen kontrollieren die Besucher die Richtung und die Tiefe der Kamerafahrten, um so in die Landschaft hinein – oder aber aus dem Panorama hinaus – zu zoomen. Die Projektionslandschaft besteht aus elf Panoramaansichten, die mit einer speziellen Panoramakamera aufgenommen und in einem computergenerierten System zusammengefasst wurden. Die verschiedenen Panoramen –für PLACE RUHR fotografiert an industriellen Landmarken des Ruhrgebiets–, sind als runde Objekte in einem virtuellen Datenraum dargestellt und können mit Hilfe der Kontrolleinheit einzeln angesteuert und wieder verlassen werden.

Auf der Innenseite der Zylinder sind Videosequenzen zu sehen, die der Thematik und dem Ort der Außenseite des jeweiligen Objektes entsprechen. Die Videosequenzen werden zu diesem Zweck an charakteristischen Orten produziert. Vorgesehen sind Aktionen mit unterschiedlichen Elementen –für die Installation PLACE RUHR in Dortmund waren es Feuer, Wasser, Rauch und Sequenzen mit verschiedenen Schauspielern: Kindern, Sportlern, etc. Jedem Zylinder wird ein symbolisches Live–Event zugeordnet, das mit der spezifischen Landmarke und der Position des Zylinders eng verknüpft ist.

An der Kontrolleinheit befindet sich zudem ein Mikrophon, mit dem die Besucher ein Computerprogramm steuern, das dreidimensionale Textfragmente in das Panorama projiziert.

Jill Scott

KUNDE: Zeche Zollern II/IV
2000

Jill Scotts große Rauminstallation besteht aus zwei interaktiven Sektionen. Die Künstlerin nutzt dabei die repräsentative Architektur der Steigerhalle der Zeche Zollern II/IV als Projektionsfläche für insgesamt sieben Videoprojektionen.

Die erste Sektion weist dem Betrachter eine Beobachterrolle zu, aus der heraus er die Möglichkeit hat, in eine Art Dialog mit sechs unterschiedlichen Personen – drei Männern und drei Frauen – zu treten, die einen repräsentativen Querschnitt durch die Industriearbeiterschaft des Ruhrgebiets vom Anfang des Jahrhunderts bis in die Gegenwart darstellen. Die sechs Charaktere sind fiktive Persönlichkeiten, die nach intensiven Archivstudien, Auswertungen mündlicher Überlieferungen und Interviews von Jill Scott kreiert wurden.

Die Personen arbeiten in unterschiedlichen Industriezweigen, allen gemeinsam ist jedoch eine reflektierte Sicht auf ihre Arbeits- und Lebenssituation. Der Besucher kann mit Hilfe von sechs elektronischen Schnittstellen – speziell konstruierte, mit Computersteuerungen ausgestattete Stühle – die Geschichten der sechs Personen individuell erkunden. Die Computersteuerung ermöglicht die Auswahl und Abfolge der Themen, über die die Charaktere berichten. Der Besucher wird, indem er alle sechs
Lebensgeschichten verfolgt, Zeuge der sich im Laufe der Zeit wandelnden industriellen Arbeitssituation, dies jedoch nicht durch die Vermittlung reiner Fakten und Zahlen, sondern durch intime Einblicke in das Leben der Arbeiter. Die Videobilder werden auf die Innenseiten der abgedunkelten großen Rundbogenfenster der Steigerhalle projiziert, so dass die Lebensgeschichten der Arbeiter mit der historischen Architektur der Zeche verschmelzen.

Die zweite Sektion von BEYOND HIERARCHY besteht aus einer Videoprojektion auf dem Fenster gegenüber dem Eingang der Steigerhalle und einem Interface, das von zwei Personen gleichzeitig bedient werden muss, um die Projektion zu starten. Dabei müssen sich die zwei Besucher durch die beiden Öffnungen des kastenförmigen Interfaces wie bei einem Handschlag – Metapher für Solidarität – die Hände reichen. Dadurch wird die Projektion von dokumentarischem („objektivem“) Filmmaterial ausgelöst, das Protest- und Solidaritätsaktionen der Arbeiterbewegung zeigt und das sich mit Bildern von – ebenfalls fiktiven – Arbeitern abwechselt, die das Gezeigte aus ihrer persönlichen Sicht dokumentieren.

Jill Scott nutzt die elektronischen Medien als Instrumentarium zur geschichtlichen Aufarbeitung, wobei sie dem Besucher durch die subjektive Berichterstattung der „Zeitzeugen“ eine Sichtweise bietet, die eine Identifikation mit der Geschichte auf einer sehr persönlichen Ebene ermöglicht.

Jim Campbell

KUNDE: Zeche Zollern II/IV
2000

Die Installation BALANCING ACT besteht aus einem dunklen rechteckigen Raum mit einem großen viereckigen Rückprojektions-Video-Bildschirm an einem und einem kleinen LCD Video Screen am anderen Ende. Auf dem Boden, neben dem großen Bildschirm und ihm zugewandt, steht ein mit einem Kabel ausgestatteter Walker. Davor, auf dem großen Bildschirm, gibt es ein sich veränderndes festes Lichtfeld. Im unteren Bereich des Lichtfelds ist ein Schatten des Walkers zu sehen.

Während der Betrachter auf den Walker zugeht und in der Nähe oder darin stehen bleibt, nimmt er wahr, dass der Schatten des Walkers im Bild nicht lebendig ist. Mit anderen Worten, selbst wenn der Betrachter das Bild von einem Punkt innerhalb des Walkers betrachtet, sieht er immer noch den Schatten eines leeren Walkers. Es scheint wie ein Spiegel, in dem der Betrachter nicht existiert. Das farbige Lichtfeld verändert sich kontinuierlich, langsam von einer Farbe zur nächsten wechselnd, den gesamten Raum und den Betrachter in jedem Augenblick mit einer einzelnen Farbe beleuchtend.

Auf dem kleinen Videomonitor am anderen Ende des Raums ist ein unbewegtes Bild des „Wizard of Oz“, produziert 1939, zu sehen. Das Bild stammt aus der Szene kurz nachdem Dorothy den Scarecrow trifft, der Schwierigkeiten hat zu stehen, weil seine Knie aus Stroh bestehen. Geht der Betrachter nahe an das kleine Bild heran, sieht er einen einzelnen schwarzen Bildpunkt, das sich gemächlich von links nach rechts bewegt, dann entlang einer Linie nach unten gleitet und langsam das Bild absucht. Es wird schnell klar, dass der bewegliche schwarze Punkt den Ort der Farbe lokalisiert, die gerade auf dem Rückprojektions-Bildschirm hinter dem Betrachter zu sehen ist.

Während sich der Bildpunkt über die gelbe Ziegelstraße bewegt, füllt sich der Raum mit gelbem Licht und taucht den Besucher in die selbe Farbe, in die der schwarze Punkt auf dem Bild getaucht ist. Der Betrachter hat das Gefühl, sich selbst als Punkt im Bild zu befinden und in einer zweidimensionalen Welt festzuhängen, ohne dahinter sehen zu können.

Jochen Gerz

KUNDE: ZECHE ZOLLERN
2000

Jochen Gerz plante für die Dauer von „vision.ruhr“ auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Zollern II/IV die Einrichtung eines digitalen Fotostudios und einer Rahmenwerkstatt.

Das Fotostudio bietet jedem Besucher die Möglichkeit, eine digitale Fotografie unentgeltlich durch einen professionellen Fotografen und nach Maßgabe des Künstlers Gerz von sich anfertigen zu lassen, die anschließend in der Rahmenwerkstatt gerahmt wird. Auf dieser Weise wurden ca. 5.600 Porträts von Besuchern der Ausstellung vision.ruhr in einer Größe von je ca. 50 x 60 cm produziert. Auf der Rückseite eines jeden Fotos werden exakte Angaben wie etwa Entstehungsdatum und laufende Nummer des Porträts vermerkt sowie ein Zertifikat zum Entstehungskontext angebracht. Gleichzeitig wurde ein zweites identisches Porträt gedruckt und ebenfalls gerahmt. Ein Exemplar wurde an einen Besucher verschenkt, das Zweite wandert noch am selben Abend in das örtliche Museum am Ostwall und wurde dort am darauf folgenden Tag aufgehängt. Der Besucher erhielt jedoch als Geschenk nicht sein eigenes Porträt, sondern das Foto einer anderen Person, das nach einem Zufallsprinzip ausgewählt wird. Das Abbild einer fremden Person wird somit im privaten Raum des Beschenkten zum Symbol der sozialen Interaktion des uneigennützigen Gebens. Gleichzeitig entstand im Museum am Ostwall eine der größten Porträtreihen der Kunstgeschichte.

Masaki Fujihata, Vertical Mapping

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

Masaki Fujihatas interaktive und vernetzte Installation VERTICAL MAPPING orientiert sich an der Kommunikation zwischen den Bergarbeitern über Tage und unter Tage.

Die Installation besteht aus fünf Förderstühlen, von denen aus eine dreidimensionale computeranimierte Landschaft unter Tage erforscht werden kann, in der man auf andere Besucher trifft und mit ihnen kommunizieren kann. Zwei dieser Stühle sind die originalen Förderstühle der Zeche Zollern II/IV, zwei stilisierte Nachbauten befinden sich im Werkstattgebäude der Zeche und ein weiterer auf der Empore der Waschkaue. Die unterschiedlichen Orte, an denen die Förderstühle positioniert sind, werden durch die Technik des »Shared Virtual Environment« miteinander verbunden. VERTICAL MAPPING ist ein virtuelles Stollensystem, das so manche Überraschung bereithält und die Besucher zur Kommunikation untereinander einlädt.

Das Interface zur Steuerung ist der Förderstand bzw. sein Nachbau. Der rechte Hebel wird dabei für die Bewegungen entlang der X-Achse (links und rechts) und der linke Hebel entlang der Y-Achse (hoch und runter) benutzt. Neben dem Stuhl befindet sich ein Telefon, mit dem man mit den Akteuren der anderen Förderstände kommunizieren kann.

VERTICAL MAPPING benutzt eine erweiterte Version der Software für »Global Interior Project«, 1996, und »Nuzzle´Afar«, 1998, entwickelt von Takeshi Kawashima.

Perry Hobermann, Workaholic

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

Ein Kabelbündel hängt gleich einem gigantischem Pendel von der Decke herab. Am unteren Ende des Kabels, nur wenige Zentimeter über dem Boden, ist ein omnidirektionaler Strichcode-Scanner angebracht, der sein intensives rotes Laserlicht auf den Boden strahlt. Ein ca. 6 qm großer laminierter Druck, auf dem sich hunderte von Strichcodes und andere kontrastreiche schwarz/weiß Bilder befinden, bedeckt den Boden unterhalb des Scanners. An den Kabeln jedoch, einige Meter über dem Boden, ist noch ein kleiner Videoprojektor angebracht, der ebenfalls nach unten abstrahlt.

Indem der Scanner hin und her schwingt, liest er die verschiedenen Strichcodes nach dem Zufallsprinzip. Der Projektor wirft ein etwa 3 qm großes Bild, das mit dem Scanner in seinem Zentrum ebenfalls hin und her schwingt, auf den Boden. Die Strichcodes werden an einen Computer weitergeleitet, der den Videoprojektor steuert und kontinuierlich die Bilder und Animationen wechselt. Die Bilder werden von den Strichcodes bestimmt, deren Erscheinen abhängig von der Richtung des schwingenden Scanner-Pendels ist.

Eine Absperrung im Durchmesser des Ausschlags des Pendels umgibt das Kabelbündel. Daran montiert befinden sich 8 sehr starke Haartrockner, die als eine Art Interface fungieren. Die Besucher können mit den Fönen auf das Pendel zielen, um mit dem Windstoß seinen Kurs zu beeinflussen. Mehrere Besucher können sich zusammenschließen und gemeinsam versuchen, das Pendel in bestimmte Richtungen zu bringen oder es auf Kreisbahnen zu lenken, die »spektakulärere« Bilder hervorbringen.

Die Arbeit und ihr nur schwer zu handhabendes Interface evozieren Assoziationen an einen völlig außer Kontrolle geratenen Konsum, bei dem eine Flut von Waren und Transaktionen ununterscheidbar ineinander übergeht.

Sommerer & Mignonneau, Industrial Evolution

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

In der Installation INDUSTRIAL EVOLUTION können Besucher mit historischen Fotographien aus der Zeit der industriellen Revolution interagieren. Bilder von Fabriken, Minen, Montagebändern, Produktionsstätten und deren angeschlossenen Verwaltungsgebäuden vermitteln eine Faszination für die technischen Errungenschaften dieser Zeit, wie sie auch während der gegenwärtigen digitalen Revolution zu verspüren ist.

Die ausgewählten Bilder stammen teils von der Zeche Zollern II/IV in Dortmund, teils von Fabriken und Produktionsstätten aus aller Welt. Viele der in der Installation begehbaren Bilder sind Stereofotografien aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie wurden durch ein so genanntes Stereoskop betrachtet, das ein dreidimensionales Betrachten ermöglichte.

Basierend auf der Idee, diese historischen Bilder aus der Zeit der industriellen Revolution mit der digitalen Technologie unserer Zeit zu kombinieren und für den Besucher erfahrbar werden zu lassen, schufen Sommerer und Mignonneau dieses interaktive und immersive, das heißt den Betrachter integrierende, virtuelle Environment.

INDUSTRIAL EVOLUTION erlaubt dem Betrachter sich in die historischen Bilder hineinzubegeben und mit diesen zu interagieren. Betritt der Besucher die Installation, sieht er sich selbst auf der Projektionsleinwand in eines dieser Bilder
hineinversetzt. Bewegt er sich innerhalb des realen Raums des Environments, kann er gleichzeitig den virtuellen dreidimensionalen Raum der historischen Fotografie erfahren.

Peter Kogler

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

Peter Kogler gestaltet für die rechte Hälfte der großen Maschinenhalle zwei großformatige bedruckte Vorhänge, die die seitlichen Fensterflächen bedecken. Koglers Arbeiten, die erst durch ihre großen Formate ihre Wirkung entfalten, basieren auf immer wiederkehrenden Reihungen von graphischen Motiven.

Kogler wird eine neue Arbeit speziell für die Maschinenhalle entwerfen, die sich auf die Werkzeuge der Kohleförderung bezieht. Die Arbeit hat somit neben der künstlerischen Aussage die Funktion, den gesamten rechten Teil der Halle zu verdunkeln.

Studio Azzurro – Dove va tutta questa Gente

KUNDE: Stadt Dortmund
2000

Die Installation, deren Titel übersetzt »Wohin gehen all diese Leute?« lautet, besteht aus drei automatischen Glasschiebetüren, die hintereinander im Abstand von vier Metern aufgebaut werden. Die Glasflächen der Türen und der Boden zwischen den Türen dienen als Projektionsflächen.

Nähert man sich der ersten Tür, wird ein Infrarotsender aktiviert, der die ersten beiden Bildebenen auf dem Boden und auf der Tür verändert. Die Tür öffnet sich automatisch, und beim Weitergehen werden die nächsten Bildebenen beeinflusst.

Die Videobilder zeigen viele, sich langsam bewegende menschliche Körper. Nähert sich ein Besucher einer Tür, bewegen sich die Körper und versuchen mit aller Kraft, Räume zu öffnen und Türen und Hindernisse zu überwinden, um von einem Raum in den nächsten vorzudringen.

Toshio Iwai

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
APRIL bis JUNI 1999

COMPOSITION ON THE TABLE ist eine interaktive Installation, die mehreren Besuchern gleichzeitig erlaubt, musikalische Kompositionen in Echtzeit zu entwickeln. Zugleich präsentiert Iwai eine neuartige Visualisierung von komplexen musikalischen Zusammenhängen anhand von einfachen Zeichen.

Die Tischkonstruktion, die auf einer von Iwai entwickelten Computersoftware basiert, stellt ein einfaches Interface dar. Es besteht aus einem Raster von 36 Druckschaltern, die mit einem Datenprojektor kombiniert sind. Der Projektor befindet sich in der Decke oberhalb des Tisches. Die Projektionstechnik zeigt einfache grafische Symbole, die sich auf die Drucktasten im Tisch beziehen und die Auswahl verschiedener „Instrumente“ ermöglichen. Durch kombiniertes Drücken der Schalter können in verschiedensten Varianten loopartig angelegte Musikkompositionen gestartet und verändert werden, die sich durch die Projektion auf den Tisch wieder grafisch verfolgen lassen.

Diese neuartige Kombination von Grafik, elektronischer Musik und einfachem Interface bietet unendliche Möglichkeiten der musikalischen Gestaltung. Toshio Iwai präsentiert zwei neue Tischkonstruktionen mit einem Durchmesser von 120 cm. Sie sind Bestandteil einer Reihe von interaktiven Tischinstallationen, die er seit 1998 kreiert hat.

Jean-Louis Boissier, Seconde Promenade

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
DECEMBER 1998

Boissiers Installation SECONDE PROMENADE, vom 3.12.1998 bis zum 7.2.1999 in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland ausgestellt, verbindet verschiedene Medien miteinander: Bilder, Töne, Musik, Videos und einen Text auf Computerbasis. Dieser Hypertext steht in enger Beziehung zu Rousseaus Originalwerk „Seconde Promenade“.

Mittels einfacher Interaktion mit dem Kunstwerk kann der Besucher Rousseaus Texte in den verschiedensten Varianten lesen. Die Installation bezieht sich dabei ebenso auf das komplette literarische wie auch auf das philosophische Werk Rousseaus und beschreibt die hierüber gewonnenen Forschungsergebnisse. Das Medienkunstwerk ist einerseits essayistisch, andererseits beschreibt Boissier autobiographische Aspekte der Arbeit und des Lebens von Rousseau.

„Seconde Promenade“ ist zentraler Bestandteil eines Textes von Jean-Jacques Rousseau (1670-1712): „Rêveries du promeneur solitaire“ (hg. 1782; dt. „Selbstgespräche auf einsamen Spaziergängen“). Dieser Text bildet das Gegenstück zu den Geschichten über die Blumen der Insel von Saint Pierre, die als Grundlagen zu der früheren Installation von Boissiers „Flora Petrinsularis“ dienten. Die Erzählungen schildern den Moment, in dem Rousseau den Beschluss fasst, nie wieder zu schreiben, um gleichzeitig die Arbeit an „Confessions“ in Angriff zu nehmen.

„Seconde Promenade“ steht für den Moment der zweiten Geburt: Rousseau verbrachte einen Nachmittag mit einem Spaziergang, er sammelte Pflanzen in herbstlicher Landschaft in den Hügeln von Ménilmontan. Ganz in sich versunken, erinnerte er sich an wundervolle Momente in seinem Leben. Plötzlich wurde er von einem Hund angefallen, verlor das Bewusstsein und kam erst nach und nach wieder zu Besinnung. In seinem Werk „Selbstgespräche auf einsamen Spaziergängen“ beschreibt er dieses Erlebnis.

Die ästhetische Kraft und die konzeptionelle Qualität von SECONDE PROMENADE bestehen darin, speziell auf der interaktiven Ebene eine neue Sprache für die audiovisuellen Medien zu finden, die sowohl der literarischen als auch der kinematographischen Tradition folgt.

Studio Azzurro – Un Passo di Cristallo

KUNDE: Swarovski
April 1998

Die interaktive Installation UN PASSO DI CRISTALLO wurde für Swarovskis Kristallwelten in Wattens, Österreich, entwickelt.

Ein lang gezogener Korridor wird von einem weißen, reflektierenden Linoleumboden erhellt, auf den Videos projiziert werden. Bei Annäherung an die Installation nimmt der Besucher zunächst ein nicht differenzierbares Muster von Kristallen wahr. In geringer Lautstärke ist eine symphonische Ouvertüre zu hören.

Der erste Schritt auf die Projektionsfläche löst eine unvorhergesehene Reaktion aus: Der Boden unter den Füßen bewegt sich und scheint sich nach unten zu öffnen – jeweils in dem Bereich, der betreten wird. Die Kristalle, die nur locker im Boden miteinander verbunden zu sein scheinen, werden durch das Gewicht der Besucher weggerissen, zersplittern in ihre Einzelteile und verschwinden in der endlosen Tiefe des Bodens. Darunter erscheinen Videosequenzen mit den Naturelementen Feuer, Wasser, Erde, Luft, die in verschiedensten Varianten gezeigt werden.

Hinter dem Betrachter fällt die Bildebene wieder in die Ruheposition zurück. Das taktile Erlebnis assoziiert einen Gang unter Tage über ein Kristallfeld. Die durch die Interaktion hervortretenden Bilder vermitteln einen Eindruck vom Geheimnisvollen, Hintergründigen und Verborgenen der Kristalle.

PARTNER: Andre Heller

Brian Eno

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1998

Brian Eno schafft visuelle und akustische Environments, die sich stetig und unregelmäßig verändern – langsam, subtil, vereinnahmend und verzaubernd. Hierzu inszeniert er einzelne Leuchtobjekte zu einem Ensemble, das sich durch die sich verändernden Videozuspielungen und Diaprojektionen ständig neu kombiniert. Die von Brian Eno im völlig abgedunkelten Raum platzierten Objekte bestehen zumeist aus einer halbtransparenten, mit Pergamentpapier überzogenen Skulptur und einem darin verborgenen Videomonitor oder Projektor.

Wie mit seiner Musik will er mit seinen Environments eher Atmosphären als für sich stehende Kunstwerke schaffen. Es sind Orte, an denen man sich gerne aufhält, die den Besucher in sich aufnehmen und ihn in eine neue, ruhige Welt entführen.

Die Ausstellung wurde durch ein großes Fest auf dem Museumsvorplatz gekrönt. Mit dem Titel „Sushi! Roti! Reibekuchen!“ wurde eine Food-Music-Performance mit tausend Gästen gefeiert, in der Brian Eno zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder live auf der Bühne stand und zusammen mit anderen Musikern, wie dem Gastmusiker Holger Czukay, so lange improvisierte, bis die Polizei den Strom abstellte.

Francisco Ruiz de Infante

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1998

Im Ausstellungsraum sind zehn zu drei Gruppen geordnete Tische zu sehen, um die herum in augenscheinlicher Unordnung 14 Stühle stehen. Innerhalb dieser Gruppen sind die Tische durch große Milchglasplatten miteinander verbunden, unter denen jeweils ein Monitor installiert ist, dessen Bildschirm nach oben weist.

Auf zwei gegenüberliegende Wände des Raumes werden zwei wandhohe Bilder projiziert, auf denen in rascher Bildfolge Großaufnahmen von verschiedenen Tieren zu sehen sind. Durch leichte digitale Manipulation der Bildgeschwindigkeit und einzelner Details bewegen die Tiere ihre Körper und Mäuler gleichzeitig und stoßen eine Reihe von seltsamen Lauten aus, die vermuten lassen, dass diese Tiere sprechen. Dieses Geräuschensemble wird durch eine weitere, komplexe Klangzuspielung von Übersetzungsversuchen ergänzt.

Von der Decke hängen 14 II Lind Kopfhörer herab die die Installation vervollständigen. Wenn man auf einem der Stühle Platz nimmt und einen der Kopfhörer aufsetzt, kann man die Simultanübersetzung aller Geräusche hören und wird somit zum Zeugen der merkwürdigen „animalischen Konversation“. Das Besondere dieser Kopfhörer ist, dass vier von ihnen die Übersetzung des Textes ins Spanische übertragen, drei ins Englische, drei ins Französische und drei ins Deutsche. Die Übersetzung wirkt jedoch merkwürdig abgehackt und besteht aus monoton aneinander gereihten Sätzen. So können die Besucher sich zwar für eine verständliche Sprache entscheiden, werden jedoch nur eine neue Geräuschserie hören; in diesem Falle eine menschliche. Diese Artikulationen machen, genau wie die ausdrucksstarken Tiergeräusche, nicht mehr Sinn, als die eigene Vorstellungskraft zu entschlüsseln vermag.

Studio Azurro – Gorgo Meteorit

KUNDE: RWE Essen
1998

Die interaktive Installation IL GORGO bezieht sich auf die zwei zentralen Themenbereiche Wasser und Energie. Die Installation wurde für André Hellers Projekt „Meteorit“ in Essen konzipiert und fügt sich in eine fantastische unterirdische Architektur, in der der Betrachter von einer Brücke in eine Schlucht sieht.

Im Ruhezustand befindet sich in der Schlucht die Projektion einer sich leicht bewegenden Wasseroberfläche. Durch ihre Stimme können die Besucher verschiedene Interaktionen auslösen: Von der Stimme aktiviert schießen aus dem Wasser verschiedene Figuren und bewegen sich langsam auf den Betrachter nach oben zu. Bevor das Bild allerdings den Betrachter erreicht, verschwindet es in der Nähe der Brücke, da dort die Helligkeit immer mehr zunimmt. In einer zweiten Möglichkeit transformiert der Ton der Stimme die Wasseroberfläche in einen Wasserstrudel, der ebenso plötzlich wieder verschwindet und die Wasseroberfläche ruhig wie zuvor zurücklässt. Beide Möglichkeiten verwandeln die vom Besucher abgegebene Energie (Stimme) in Bewegungsenergie und lassen sie so zu ihm zurückkehren.

George Legrady

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
DEZEMBER 1997 bis FEBRUAR 1998

TRACING ist eine Installation, die das Verhältnis zwischen Provinz und scheinbarem kulturellem Zentrum untersucht. Der Ausstellungsraum ist in der Mitte durch eine ca. 4m breite Mauer getrennt, auf der von jeder Seite eine Videoprojektion zu sehen ist.

George Legrady bezeichnet die beiden Raumteile als „zwei Seiten einer Medaille“, als Kopf oder Zahl, als eine Entscheidung, die zu treffen ist. Das verbindende Element dieser Metapher ist ein Brief, in dem sich ein Mann aus Osteuropa darüber beklagt, dass der Freund aus dem Westen nicht mehr antwortet und scheinbar kein Interesse mehr an der Freundschaft hat. Dieser Brief scheint durch die Mauer hin und her zu fließen und zeigt sich auf der einen Seite in zusammenhängenden Versatzstücken und auf der anderen Seite lediglich, wenn man einzelne Passagen bewusst mit der Maus anklickt.

Im vorderen Teil des Raums werden die Bewegungen der Besucher durch Sensoren erfasst, wodurch über eine Computersteuerung Fragmente aus dem linearen Text herausgegriffen werden. Diesen Textpassagen sind jeweils spezifische Videosequenzen zugeordnet, die auf die rückwärtige Mauerseite projiziert werden. Hier konfrontiert uns Legrady mit atmosphärischen Bildern aus Osteuropa, mit Ansichten von Plätzen, Hauseingängen und Innenräumen, sowie mit privaten Eindrücken.

Im hinteren Teil des Raumes können Sie zudem mit Hilfe einer Computermaus einzelne Passagen des Briefes einlesen, wodurch die Videosequenzen aktiviert werden. Die Auswahl der Videobilder und der Textteile ist also eine komplexe Interaktion zwischen den Bewegungen im vorderen Raum und einer bewussten Auswahl der Textpassagen mit Hilfe der Computermaus.

Masaki Fujihata

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
SEPTEMBER bis NOVEMBER 1997

Viele seiner Arbeiten bezeichnet Masaki Fujihata als Experiment. BEYOND PAGES ist für ihn ein Kunstwerk. Das liegt unter anderem an genau definierten Rahmenbedingungen, die, anders als bei vielen seiner Arbeiten, nicht als offener Prozess geplant sind.

Der Betrachter findet eine Situation vor, die einladend auf den Moment der Rezeption hin angelegt ist. Das Buch als Informationsträger und Speichermedium ist für Fujihata als Symbol für Schriftkultur und die Einübung einer linearen Leseform von Bedeutung. Sein Interesse an der Erprobung und am Einsatz multimedialer Technologien lässt ihn die Qualitäten und Grenzen dieses Mediums hinterfragen. Das Buch simultiert als Interface noch den Vorgang des
Blätterns, die Begrenzung durch die Zweidimensionalität der Fläche aber und die Starre der Zeichen wird elegant überschritten.

Fujihata führt Überraschungsmomente ein, deren Wirkungen konsequent in der Erweiterung der gewohnten ruhigen und stillen Daseinsform des illustrierten Textes liegen. Auf den Blattflächen erscheinen dreidimensionale und bewegte
Elemente, die impulsgebende Geste wird an akustischen Signalen gekoppelt.

Mit BEYOND PAGES verweist Fujihata auf das Potential der Technologie und die Aufgabe, mit Fantasie aus der Konzentration und der Neugierde heraus zu gestalten, was als Inhalt wert geschätzt wird.

Masaki Fujihata

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
SEPTEMBER bis NOVEMBER 1997

GLOBAL INTERIOR PROJECT ist ein virtuelles Environment, das gleichzeitig von mehreren Personen besucht werden kann.

Die Schnittstellen zwischen realem und virtuellem Raum bilden vier Kuben mit jeweils einem Fenster, durch das die virtuellen Räume erforscht werden können. Masaki Fujihata hat 18 Symbole als Allegorien für „Welt“ bestimmt, die als ikonische Repräsentanten in jeweils einem der virtuellen Räume zu sehen sind. Zudem gehört zur Installation eine Skulptur, bestehend aus 18 Kästen mit jeweils einer Figur, die thematisch einem der Symbole entspricht.

Sobald jemand an einem Kubus agiert und sich in einem der virtuellen Räume befindet, öffnet sich eine Tür an der Skulptur und gibt die diesem virtuellen Raum zugeordnete Figur frei. Da sich einer der Kuben neben der Skulptur befindet, ist es möglich, an der Skulptur zu beobachten, in welchen virtuellen Räumen sich andere Mitspieler gerade aufhalten und Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Die Installation ist der exemplarische Versuch, Kommunikationsdesign mit aktueller Technik zu realisieren und neue Möglichkeiten des kulturellen Austauschs zu erleben. GLOBAL INTERIOR PROJECT vermittelt eine Vorstellung von den Metastrukturen der elektronischen Kommunikationsnetze und ihrer Schnittstellen zwischen realen und virtuellen Räumen.

Ulrike Rosenbach

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
MÄRZ bis APRIL 1997

Mit der Videoinstallation IM PALAST DER NEUGEBORENEN KINDER realisiert Ulrike Rosenbach ihre neuste Arbeit, die sie speziell für den MedienKunstRaum der Kunst- und Ausstellungshalle konzipiert hat.

Durch einen engen Eingang betritt der Besucher einen lang gezogenen achteckigen Raum, dessen Seiten vollständig aus Videoleinwänden bestehen. Von den Projektionsflächen blicken die Bilder überlebensgroßer Kinder herab, die sich in einem langsamen Wiegetanz hin und her bewegen und den Betrachter mit ihrem Reigen umschließen. Die Porträts der Kinder wirken ernst, wie aufgebläht, ja fast gigantisch, und haben eine Tonkomposition aus einem monotonen, tiefen Herztonrhythmus, unterstrichen durch elektronisch verzerrte Kinderstimmen. An der schmalen Stirnseite des achteckigen Projektionsraums schwebt das Bild eines Computermonitors, auf dem die Handflächen von Kindern erscheinen und stetig mit den Worten „Lifechecker“, „Lifesaver“, „Liferunner“ kommentiert werden. Das gigantische Ensemble aus bewegten Bildern stellt den Betrachter hilflos einer kindlichen Gewalt gegenüber, die gleichsam wach und mit statischer Ausstrahlung ihre junge Macht demonstriert.

In dem engen Bildraum der begehbaren Installation konfrontiert uns die Künstlerin mit einer Zukunftsvision von Kindern, die halb als Menschen und halb als Androide erscheinen. Scheinbilder einer Welt, die ein Spiegel des zerrissenen inneren Zustands unserer Gesellschaft sind. Die Kinder als Metapher für Zukunft und hoffnungsfrohen Neubeginn werden durch die Form der Inszenierung hinterfragt und zu ungewissen Trägern eines zukünftigen Weltentwurfs.

Bill Seaman

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
SEPTEMBER bis NOVEMBER 1996

Die interaktive Installation basiert auf sprachlichen und audiovisuellen Kompositionen, die sich mit Reise, Bewegung und Sinnlichkeit auseinandersetzen.

Innerhalb des Ausstellungsraums wird eine Seite auf ca. 9 m Breite mit drei Videoprojektoren bespielt. Dieser Ausblick in eine virtuelle Welt präsentiert sich als steuerbares Menü-System, mit dem man, unterstützt durch einen Trackball, Bildplattenspieler und Computer, eine poetische Reise um den Globus antreten kann.

Die Basis bildet ein komplexes System von Kurzgedichten (Haikus), die in immer neuen Varianten konstruiert werden können. Die einzelnen Haikus stehen wiederum in assoziativer Verkettung mit Videosequenzen und werden von Seamans komponierter Musik, die parallel eingespielt wird, untermalt. Ein poetischer Diskurs über Liebe, Sexualität und Sinnlichkeit in einer global vernetzten Gesellschaft.

Neben dem interaktiven Gebrauch durch das Publikum konstruiert ein autonomer Gedicht-Generator pausenlos weitere Haikus, die von einem der drei Projektoren projiziert werden. Künstliche Intelligenz und die Deplatzierung von Sprache werden hier thematisiert.

Die konzeptionelle Überlagerung der projizierten Räume definiert einen fließenden, gedanklichen Freiraum für den Betrachter Akteur und konstruiert mit Hilfe modernster Technik neue Arten hybrider Orte. Passage Sets ist eine poetische Reflexion potentiell zukünftiger, sinnlicher Kommunikation.

Gary Hill

KUNDE: KUNST- UND AUSSTELLUNGSHALLE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND
1996

Gary Hill kombiniert in seiner Installation CIRCULAR BREATHING fünf Detailaufnahmen mit fünf Fragmenten zu sieben Kapiteln.

Die Bilder bewegen sich in mathematisch strukturierten Sequenzen über die Wand; je mehr Bilder auf den fünf Projektionsflächen zu sehen sind, desto mehr verlangsamt sich die Bildgeschwindigkeit, sie wird zur Zeitlupe, um dann in ein nahezu stehendes Bild überzugehen. Die Bildsequenzen und der synchrone Ton verschmelzen und separieren sich zugleich, suggerieren Elemente einer Geschichte, bilden intuitive Allegorien, ohne jedoch zu einer linearen Erzählstruktur zu gelangen.

Im Kontext der Arbeiten über Wahrnehmung, Bewusstsein und Kommunikation ist CIRCULAR BREATHING die herausragende Arbeit Gary Hills. Der Titel verweist auf eine spezielle Atemtechnik, wie sie beim Spiel von Blasinstrumenten und im chinesischen Tai-Chi praktiziert wird. CIRCULAR BREATHÍNG symbolisiert den Wahrnehmungsvorgang im Gedächtnis und ist eine Einübung in den Verzicht auf Bedeutung. Vorstrukturierte Kapitel wie „Straßenszene“, „Baustelle“ oder „Klavierspiel“ animieren die Wahrnehmung, eine Erzählstruktur zu formulieren. Doch im Wettlauf mit dem Verschwinden der Bild-Ton-Fragmente versiegt der lineare Erzählversuch. Die Kontinuität des Sehens trifft auf die Instabilität der flackernden Bilder und die Diskontinuität der Erzähltechnik.

Dem Bilderrhythmus folgend muss das Auge im Installationsraum ein- und ausatmen, zwischen Aufblende auf der linken Seite und Abblende auf der rechten Seite. Das Auftauchen und Verschwinden der Bilder und Geräusche entspricht dabei dem Vorgang des Erinnerns und Vergessens. Die Bilder tauchen wie aus einem Strom des Vergessens auf und verschwinden wieder in ihm.

Sommerer & Mignonneau

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
JUNI bis JULI 1996

Mit der interaktiven Echtzeit Installation A-VOLVE hatten die Besucher der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland vom 5.6 bis zum 28.7.1996 die Möglichkeit, mittels eines Graphik-Computers virtuelle Wesen zu erschaffen und zu beeinflussen.

Über einen Touch-Screen kann man hierbei den Figuren jedwede Form und Gestalt geben und sie zu dreidimensionalen Wesen erwecken, die mit Hilfe einer Videoprojektion in einem Wasserbassin zu schwimmen scheinen. Die Geschöpfe entwickeln sich in einem evolutionären Prozess und können durch menschliche Eingriffe in ihrer Schöpfung und Entwicklung beeinflusst werden.

Die Bewegungen und das Verhalten der virtuellen Wesen werden durch ihre Form definiert, die der Betrachter auf dem Touch-Screen gezeichnet hat. Ihr räumliches Verhalten ist Ausdruck ihrer Form und die Form ist Ausdruck der Anpassung an die Umwelt. Die Bewegungsfähigkeit der Wesen bestimmt ihre Überlebensfähigkeit in dem Pool. Das fähigste Geschöpf wird am längsten überleben und sich paaren und fortpflanzen können.

Im wechselseitigen Überlebenskampf werden die Wesen versuchen, soviel Energie wie möglich zu erlangen. So jagen Räuber nach Beute, um diese zu töten. Weiterhin reagieren die Kreaturen auf die Besucher und ihre Handbewegungen auf dem Wasser. Versucht ein Besucher ein Wesen zu fangen, wird es versuchen zu fliehen bzw. sich ruhig verhalten, falls es tatsächlich gefangen wird. Auf diese Weise ist der Besucher in der Lage, zum Beispiel durch Schutz der Opfer vor den Räubern, den evolutionären Prozess zu beeinflussen.

Begegnen sich gleich starke Wesen, so können sie einen Nachkommen zeugen und ein neues Geschöpf wird „geboren“. Es trägt die Erbinformation seiner Eltern. Mutation und Kreuzungen stellen einen natürlichen, den Mendelschen Gesetzen folgenden Reproduktionsmechanismus dar. Das Neugeborene wird bald voll reaktionsfähig in dem Bassin leben, mit Besuchern und anderen Kreaturen interagieren.

Algorithmen, von Mignonneau und Sommerer entwickelt, garantieren weiche und natürliche Bewegungen und tierähnliches Verhalten der Wesen. Keines der Wesen ist vorbestimmt; alle sind in Echtzeit durch Interaktion der Besucher und der anderen Kreaturen entstanden. So wird eine unbegrenzte Fülle von Formen ermöglicht, die menschliche und evolutionäre Regeln wiedergibt.

Studio Azzurro

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1996

In einem abgedunkelten Raum stehen sechs leicht geneigte Tische, auf denen jeweils eine Projektion zu sehen ist: eine schlafende Frau, eine brennende Kerze, eine mit Wasser gefüllte Schale, ein gedeckter Tisch etc. Allein durch Berührung der Oberfläche der Tische löst der Betrachter Veränderungen der projizierten Bilder aus: die Frau erwacht, die Kerze fällt um und entzündet die Tischoberfläche, die Wasserschale läuft über, das Tischtuch wird heruntergerissen.

„Berührung“ ist das zentrale Thema dieser Arbeit: Die einzige Sinneswahrnehmung, die aktives Handeln voraussetzt, um eine Erfahrung zu machen. Man muss schon etwas wagen, um zu berühren: Hände müssen ausgestreckt werden, greifen und begreifen – ohne sich vorher über die Konsequenzen rückversichern zu können. Berührung schafft unweigerlich Beziehung – selbst dann, wenn sie im imaginären Raum stattfindet.

Agnes Hegedüs

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1995

Die für zwei Akteure gestaltete interaktive Installation BETWEEN THE WORDS baut auf den früheren telekommunikativen Arbeiten der Künstlerin auf.

Eine Mauer im Raum trennt die Akteure, erlaubt aber an einer rechteckigen Aussparung den Blick durch eine semitransparente Glasscheibe auf computergenerierte Hände und die gegenüberstehende Person. Mit Hilfe zweier Joysticks kann nun jeder Akteur virtuelle Handgesten gestalten und steuern, wodurch eine wortlose Kommunikation nicht nur möglich, sondern als einzige Verständigungsform auch notwendig wird.

Die Möglichkeit der computerunterstützten Interaktion mit dem Kunstwerk ist eine der wenigen wirklich neuen Dimensionen in der Kunst. Agnes Hegedüs entwirft Szenarien dieser Interaktion und erfindet neue Interface-Techniken. Ihre künstlerische Arbeit bewegt sich im Spannungsfeld von Spiel und Kunst. Ganz bewusst stellt sie sich dabei der Herausforderung, Computer und Joysticks als Spielzeug einzusetzen, um damit die Rezeptionsstrukturen und die Faszination des Computerspiels zur Vermittlung von künstlerischen Inhalten und Zusammenhängen zu benutzen. Sie verwendet einerseits die Regeln des Spiels, um ihm andererseits eine völlig verwandelte Bedeutung zu geben, ganz im Sinne eines Ready-made à la Duchamp.

Der Besucher interagiert nicht in der Installation, um zu gewinnen oder seinen Spaß zu haben; vielmehr wird die Struktur des Spiels zur Metapher, die unsere Erwartungshaltungen und Beurteilungskriterien gegenüber Kunstwerken in Frage stellt. Zugleich erforscht BETWEEN THE WORDS unsere Fähigkeit zu einer nonverbalen Kommunikation.

BETWEEN THE WORDS ist eine Co-Produktion der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn und der „Ars Electronica“ in Linz.

Grahame Weinbren

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1995

Grahame Weinbrens SONATA ist interaktives Kino, inszeniert in einer Rauminstallation. Der Besucher kann den Filmablauf beeinflussen und verändern, indem er in einen frei im Raum hängenden Rahmen greift, der ein Infrarotfeld erzeugt und wie ein Touchscreen funktioniert.

Es gibt nur sehr wenige Künstler, die die Technik dieser hybriden Kunstform, die sowohl Video als auch Film einbezieht, beherrschen. Grahame Weinbren hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre als ihr hervorragendster Vertreter profiliert, der nicht nur virtuos mit den oben genannten Kunstformen umzugehen versteht, sondern vor allem auch in der Lage ist, das künstlerische Potential der neuesten Computertechnologien einzusetzen und auszuschöpfen.

SONATA ist, nach „The Erl King“ aus dem Jahre 1986, der zweite interaktive Film Grahame Weinbrens. Er verbindet in dieser Arbeit Szenen, die auf Tolstois Kurzgeschichte „Die Kreutzer Sonate“ basieren, mit Elementen der biblischen Geschichte von „Judith“ zu einer labyrinthischen, assoziativen Bildfolgen und einer linearen filmischen Erzählstruktur. Vielmehr versucht er, sich der arbiträren Komplexität von Gedankenfolgen und Träumen zu nähern: Der  Zuschauer hat die Möglichkeit, dieselbe Szene aus dem Blickwinkel verschiedener Charaktere zu beobachten und sich in unterschiedliche Erzählstränge hineinzubegeben. So entsteht eine jeweils individuelle Version des Kunstwerks („fictional mind“), eine individuelle „Meditation“ über die (tolstoische) Behauptung, dass Kunst – und besonders Musik – potentiell Gewalt erzeugen. Diese wird durch die Geschichte von Judith, die Holofernes zuerst verführt, um ihn dann zu enthaupten, noch um die Frage nach der immanenten Gewalt in Beziehungen zwischen Männern und Frauen erweitert.

Klaus vom Bruch

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1995

Klaus vom Bruchs Arbeit ARTAUD SPRICHT VOR DEN SOLDATEN ist als ein Diskurs über Intensität, Wahnsinn, Zerstörung und Wahnvorstellungen zu verstehen. In einer Collage aus filmischen Kriegsdokumenten, Musik und ekstatischem Dichterschrei inszeniert vom Bruch diese Auseinandersetzung.

Vier Videoprojektoren stehen sich gegenüber, die unterschiedliches Filmmaterial zeigen: Befreite Kinder aus dem Konzentrationslager Dachau; drei Wehrmachtssoldaten, die sich den Amerikanern ergeben; eine Tätowierungsszene aus einem Konzentrationslager; ein sich bewegendes Gummiskelett. Die Gegensätze prallen in einer Intensität aufeinander, die nur noch von Artauds Schriften übertroffen wird. Das scheinbar lustige Spiel mit dem Gummiskelett als makabre Allegorie für Todessehnsucht; die lachenden Kinder in dem KZ und die besiegten, verzweifelten Soldaten; die Tätowierung, die sowohl Lust als auch Tod in sich birgt und schließlich der Gegensatz von Bild- und Tonebene.

Der Kontrast zwischen Todesangst und Liebessehnsucht wird durch romantische mexikanische Liebeslieder, Mariachas und Rumbas aus den 30er und 50er Jahren, untermalt. Ein Karneval des Todes, bei dem man versucht ist, den Fuß rhythmisch mitwippen zu lassen. Auf dem Hintergrund der sich ständig aktualisierenden Kriegsberichterstattung aus den verschiedenen Teilen der Welt, veranlasst Klaus vom Bruch den Besucher, über die tiefergehenden Hintergründe der logisch nicht nachvollziehbaren Kriegsgelüste nachzudenken. Bei aller inszenierter Dramatik verfolgt er jedoch keine konkrete politische Absicht, sondern zielt auf die Differenzierung der Sinne ab.

Nan Hoover

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1995

In ihrer Videoinstallation MOVEMENT FROM EITHER DIRECTION hat Nan Hoover innerhalb des Ausstellungsraums einen neuen Raum geschaffen. Die geometrischen Konturen scheinen verschoben, die Wände verrückt worden zu sein. Bereits vom Eingang aus fällt der Blick auf die gegenüberliegende Ecke der Installation, in der sich der Schatten einer übergroßen Gestalt von rechts nach links bewegt. Nach dem Eintreten stellt man jedoch fest, dass der Raum leer und kein Grund für diesen Schatten erkennbar ist. Diese Fiktion, von der Künstlerin mit Hilfe einer Videoprojektion in Szene gesetzt, überrascht. Und diesen Moment der Desorientierung nutzt Nan Hoover, um uns in eine Schattenwelt zu entführen, in der der Besucher durch weiße und blaue Lichtprojektionen selbst zum Schatten und so zum Teil der Installation wird und mit ihr zu interagieren beginnt.

Die ausgebildete Malerin und Zeichnerin Nan Hoover bearbeitet auch in MOVEMENT FROM EITHER DIRECTION ihr zentrales Thema: Den menschlichen Körper, den sie sowohl real im Raum agieren lässt, als auch durch Licht und Schatten transzendiert darstellt. Sie thematisiert die Fantasien des Übermächtigen, des Fremden und des Übergroßen, vor denen wir uns fürchten und die wir zugleich instinktiv beim Eintreten in einen dunklen Raum erwarten.

MOVEMENT FROM EITHER DIRECTION knüpft an die Aktionen, Performances und Installationen mit Licht- und Videoprojektionen an, die Nan Hoover seit den 70er Jahren kontinuierlich weiterentwickelt hat. Fast alle Videoarbeiten der Künstlerin sind abstrakt und fordern unsere Auseinandersetzung mit Geschwindigkeit, Zeit und Bewegung. Sie erforschen die Furcht vor dem Imaginären und spielen mit Fiktion und Realität.

Nan Hoover beschreibt ihre Arbeit als interaktiv, denn erst durch die Präsenz der sich bewegenden Betrachter und ihre wandernden Schatten wird die Installation zu dem, was sie sein soll. Durch das Agieren der Besucher wird der Raum in immer neue Varianten aus Licht und Schatten getaucht. Diese kontinuierliche Veränderung der Installation ist im klassischen Sinne interaktiv, ganz im Gegensatz zu vielen computergesteuert Installationen, die letztlich nichts anderes als Multiple-Choice-Programme darstellen. In der entstehenden Lichtlandschaft treffen realer und virtueller Schatten aufeinander, so wie das Imaginäre auf die körperliche Präsenz des Besuchers trifft. Während der eine Schattenwurf aus dem Fehlen des Lichts erwächst, so geht er im anderen Fall auf das projizierte Licht eines Videoprojektors zurück.

„Ich bin ein Teil der Finsternis, die sich Licht gebar“ Mephistopheles, Faust

Ulrike Rosenbach

KUNDE: Ulrike Rosenbach
1995

Für ÜBER DEN TOD mischt Ulrike Rosenbach Licht-, Form- und Bewegungsstudien zum Thema ‚Tod‘, deren Tiefen- und Höhenillusion durch Computer und Schnitt-/Mischeffekte jeweils verstärkt werden, so dass der Eindruck einer dreidimensionalen Bildebene entsteht.

Ein Strudel aus weißem Salz zieht den Betrachter in die Tiefe, ein illuminierter Stahlstab dreht, einem Uhrwerk gleich, seine Kreise und ein gekrönter Totenkopf wandert mahnend über den Monitor.

Jill Scott

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
September bis November 1994

Verschiedene bewegungssensitive Skulpturen sind wie Reliquien auf Säulen im Raum postiert: Alltägliche Gebrauchsgegenstände, Relikte ihrer früheren Aktivität, und gleichzeitig symbolhafte Objekte, denen bestimmte Themen zugeordnet sind.

Indem der Besucher sich im Raum bewegt, löst er Reaktionen aus, die die Skulpturen zu neuem Leben erwecken: Über Lichtschranken, die die Position des Betrachters im Raum registrieren, werden Video- und Geräuschsequenzen aktiviert. Die Skulpturen scheinen noch immer von den Geräuschen ihrer einstigen Tätigkeit umgeben zu sein und schaffen eine irritierende Atmosphäre.

Marcel Odenbach

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
DEZEMBER 1994 bis FEBRUAR 1995

Bereits in den 70er Jahren hat Marcel Odenbach das Rauchen als Aussageform der Langeweile behandelt und sich in diesem Zusammenhang mit den Themen des reinen Zeitvertreibs und der Nervosität auseinandergesetzt.

Die beiden sich gegenüber stehenden Doppelprojektionen des TABAKKOLLEGIUMS beziehen sich aufeinander, stellen aber zugleich Gegensätze dar. So entsteht eine Konfrontation zweier Kulturen, ein Gegensatz von Establishment und Underground, jung und alt, politisch und unpolitisch, sich abwechselnden Generationen mit unterschiedlichem Bewusstsein.

Der rauchende Mund des Künstlers und ein seitlich darunter projiziertes zweites Bild eines Tisches mit Rauchutensilien und vollem Aschenbecher bildet die eine Seite, überdimensionale Augen und Aufnahmen aus Vergnügungstempeln in Berlin und New York die andere Seite. Der Gegensatz setzt sich in verschiedenen Einblendungen auf der jeweiligen Seite fort. Bilder von Bücherverbrennungen, gewalttätigen Demonstrationen, ausländerfeindlichen Ausschreitungen oder Selbstverbrennung bilden einen makabren Kontrapunkt zu der Sprachlosigkeit, Langeweile und Verharmlosung angesichts dieser aktuellen politischen Tendenzen.

Marcel Odenbach setzt der heutigen Jugend seine eigenen Erfahrungen entgegen und sucht nach Möglichkeiten der Kommunikation und Solidarität. Auch wenn diese Kommunikation nur im nonverbalen Vergnügen wie dem Rauchen zu liegen scheint, so ist sie doch der gemeinsame Nenner gegen diskriminierende, faschistoide Tendenzen unserer Gesellschaft.

Michael Petry

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1994

THE CHEMISTRY OF LOVE erforscht die Gemeinsamkeiten und Widersprüche zwischen der chemischen Zusammensetzung des menschlichen Körpers und der „Chemie“ der zwischenmenschlichen Beziehungen.

In THE CHEMISTRY OF LOVE kommen eine Reihe von „Fachleuten“ zu Wort, die den Unterschied zwischen den physischen und emotionalen Eigenschaften einer idealen Beziehung beschreiben. Diese Erklärungen werden von Petry durch wissenschaftliche Ausführungen über die Chemie des Körpers unterbrochen. Die in deutsch und englisch gehaltenen Videointerviews sind auf elf Monitoren zu sehen, die in eine größere Rauminstallation integriert sind.

Michael Petry versteht diese Rauminstallation als Metapher des menschlichen Körpers. Sie besteht aus 121 Laborglasbehältern unterschiedlicher Größe, die in 11 Reihen zu je 11 Gefäßen von der Decke hängen. Jeder Tubus enthält eines der 11 wichtigsten chemischen Elemente, aus denen sich der menschliche Körper zusammensetzt.

Der Versuch einer totalen Analyse des menschlichen Seins konkurriert mit der sinnlichen Erfahrung, die sich stets verändert und nicht zu definieren ist. Aus dieser Spannung entsteht eine Instabilität der Welt, die immer neuer Kombinationen und derer Auflösung bedarf. Nichts bleibt wie es ist.

Woody Vasulka

KUNDE: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland
1994

BROTHERHOOD ist eine Sammlung von Medienkonzepten, die sich mit dem Dilemma der männlichen Identität beschäftigen. Das zentrale Thema ist der zwanghafte Trieb der Menschen, die Natur zu reorganisieren und die daraus folgende destruktive Ordnung.

Die interaktive Installation vermeidet es, eine bestimmte Disziplin, ein Genre oder einen Stil zu besetzen. Vielmehr zeigt die Arbeit Bündel systematischer primitiver Expressionen, die zwar menschenähnlich sind, doch bisher innerhalb von Maschinen schlummerten. Diese komplexen dynamischen Systeme konfrontieren den Betrachter mit einer kulturellen Identität, die unsere Interpretationen der menschlichen und der maschinellen Intelligenz hinterfragt.